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Evangelisches Forum: Neue Diskussion über Krieg und Frieden in der Evangelischen Kirche

Die Evangelische Kirche versteht sich schon lange nicht nur als Teil, sondern als Motor der Friedensbewegung. „Frieden schaffen ohne Waffen“ galt lange als Motto. Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine ist diese Überzeugung jedoch ins Wanken geraten. Das Evangelische Forum Werra-Meißner hatte Prof. Dr. Ulrich Körtner eingeladen. Er lehrt Systematische Theologie und Ethik an der Universität Wien und gehört zu den Kritikern einer Position, die Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt.

Zu Beginn erinnerte Studienleiterin Sieglinde Repp-Jost an eine Spannung, die schon in der Bibel angelegt ist. Auf der einen Seite fordert Jesus zur Feindesliebe und zum Verzicht auf Vergeltung auf. Andererseits gehörten auch Soldaten zu den Nachfolgern Jesu und der Apostel Paulus sah den Staat in der Verantwortung, das Böse einzudämmen. Was bedeuten diese biblischen Orientierungen im Blick auf heutige Fragen?

Körtner kritisierte eine Haltung der prinzipiellen Gewaltlosigkeit. „Es ist zynisch, der Ukraine zu empfehlen, auf die Anwendung militärischer Gewalt zu verzichten“, sagte Körtner. Er erinnerte an die „Barmer theologische Erklärung“ aus dem Jahr 1934, nach welcher der Staat die Aufgabe hat, „in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen.“ Auch Martin Luther habe zwar Angriffskriege abgelehnt, Verteidigungskriege aber gerechtfertigt. Gegen das Gebot „Du sollst nicht töten“ verstoße nicht nur, wer einen anderen angreife oder gar töte, sondern auch der, der tatenlos dem Angriff auf Unschuldige zuschaue. Körtner forderte von der Evangelischen Kirche einen nüchternen und ehrlichen Blick auf die Realität des Bösen in der Welt. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und empfahl, auch die Abschreckung mit Atomwaffen weiterhin als eine für Christen mögliche Handlungsweise anzuerkennen.

In der anschließenden Diskussion war eine gewisse Ernüchterung zu spüren. „Woraus können wir eigentlich Mut schöpfen“, fragte ein Teilnehmer. Die ureigene Aufgabe der Kirche sei das Gebet für den Frieden und die Mitarbeit an einer Kultur der Friedfertigkeit, so Körtner. Auf absehbare Zeit seien internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die Europäische Union oder die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa leider nicht in der Lage, Kriege zu verhindern. Deshalb dürfe man auf die Androhung und Anwendung rechtserhaltender und rechtsschaffender Gewalt nicht verzichten.

Es war bereits die zweite Veranstaltung des Evangelischen Forums, die im Hybridformat stattfand. Körtner war aus Wien zugeschaltet, andere nahmen von Kassel oder anderen Orten an der Veranstaltung teil, die zugleich in Präsenz im Evangelischen Gemeindehaus bei der Marktkirche in Eschwege stattfand. Der Abend schloss mit einem Friedensgebet.

Dr. Martin Arnold

In der dritten und letzten Veranstaltung zu Krieg und Frieden in der Ukaine geht es um die Rolle der orthodoxen Kirchen in diesem Krieg. Gesprächspartnerin ist Prof. Dr. Jennifer Wasmuth, Expertin des orthodoxen Christentums. Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 25.05.2023 um 19.00 Uhr im Gemeindehaus Marktkirche statt und digital über Zoom. Anmeldung bis zum 22.05.2023 per Mail: ev.forum-wmk@ekkw.de