Liebe deinen Feind

Blick von der Blauen Kuppe ins Werratal und auf die Leuchtberge.
Liebe deinen Feind
Diesen Satz sagt Jesus in der Bergpredigt.
Berge fordern heraus. Wer einen Berg besteigt, verlässt das Gewöhnliche, die alltägliche Umgebung, um einen neuen Blick zu gewinnen und sich dem Außerordentlichen zu stellen.
An diesem Sonntag feiern wir Wandergottesdienst an der Blauen Kuppe. Wir sitzen am Rand eines Stoppelfeldes und hören die Worte Jesu aus der Bergpredigt: „Euch ist gesagt: Liebe deinen Nächsten. Aber ich sage euch darüber hinaus: Liebt auch eure Feinde.“
Dieser Satz klingt absurd. Natürlich umarmen wir diejenigen, die zu uns gehören, mit denen wir durch Freundschaft und Geschichte verbunden sind. Das ist normal. Das entspricht unserer Lebenserfahrung. Aber den Feind lieben? Kann das richtig sein? Soll ich wirklich denjenigen in meinem Herzen umarmen, der gar nichts davon wissen will? Der das, was mir wichtig und heilig ist, mit Füßen tritt, es beschimpft, verlacht, attackiert, verletzt, zerstört? Was soll das bringen? Öffne ich damit dem ungerechten und dem bösen Treiben nicht Tür und Tor?
Der Feind ist der, der mir feindlich gesinnt ist, der hasst, was ich liebe und achte.
Es gibt verschiedene Arten von Feinden: persönliche, religiöse, politische. Es gibt Feinde der Demokratie, Feinde von Religion und Kirche, Feinde der Nation.
Jesu Liebesgebot sagt, dass wir den Feinden nicht einfach aus dem Weg gehen und ihnen das Feld überlassen sollen. Wir sollen das Böse, den Hass weder nur erdulden, noch vernichten.
Vielmehr sollen wir dem Feind als einem Mitmenschen begegnen, der Gottes Bild in sich trägt. Die Feindesliebe behandelt den Feind wohlwollend. Sie antwortet ihm nicht mit Hass.
Sie weigert sich, selbst zum Feind zu werden. Sie wird nicht ungerecht. Sie hält daran fest, dass jeder Mensch, ohne Ansehen seiner Person, Würde und Freiheit verdient. Sie will keine Rache, sondern Gerechtigkeit. „Wenn ihr so handelt,“ sagt Jesus, „wird sichtbar, dass ihr wahrhaftig Kinder seid eures Vaters im Himmel.“
Vom Berg aus öffnet sich nicht nur der Blick ins Tal, auf die Menschen, mit denen wir zusammenleben. Auch der Horizont weitet sich. Wir spüren die Güte und Schönheit Gottes.
Der Himmel sagt uns: Wir sind geliebt. Wir sind berufen. Und wir sind stark durch die Liebe, dem Hass zu widerstehen.
Der nächste Wandergottesdienst zu einem Wort aus der Bergpredigt findet am 24. August statt.
Sieglinde Repp-Jost